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Das Open-Source-Tool Colmena stärkt Marokkos Community-Medien im Kampf gegen patriarchale Strukturen

Khaoula Derfoufs Vision ist klar: „Unser Webradio Mères en ligne soll so viele alleinstehende Mütter wie möglich erreichen.“ Im Norden Marokkos leitet Khaoula die feministische Organisation 100% Mamans, die unverheiratete Mütter zu Medienschaffenden ausbildet. Diese Strategie hat sich als äußerst wirksam erwiesen, wenn es darum geht, geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen – ein alltäglicher Kampf für alleinerziehende Mütter in Marokko – und ihnen Fähigkeiten zu vermitteln, um wirtschaftlich unabhängig zu werden.

Doch das Webradio-Team steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Sie haben nicht nur mit patriarchalischen Strukturen und Einstellungen zu kämpfen, sondern auch mit vielen kleinen technischen Problemen. „Unser Budget ist knapp, die veraltete Software stürzt ständig ab“, sagt Khaoula. Notwendige Software- und Sicherheitsupdates können oft nicht gemacht werden, was schon mehrfach zum Verlust von Audiomaterial und Dokumenten geführt hat. „Aber wir können nicht einfach auf neue Programme umsteigen, dazu fehlen uns die Kompetenzen und es ist auch sehr teuer, jedes Jahr eine Lizenz zu bezahlen“, erklärt Khaoula.

Auf der Suche nach praktikablen Lösungen beschlossen die Frauen von 100% Maman, Anfang Mai an einem Medientreffen in Rabat, Marokko, teilzunehmen. Gemeinsam mit anderen Medienprofis besuchten sie einen Praxis-Workshop der Open-Source-Newsroom-App Colmena. Das digitale Tool wurde von und für unabhängige Community-Radios entwickelt, unter der Leitung der DW Akademie und mit Unterstützung des BMZ. Colmena integriert Funktionen wie Audioaufnahmen, Mehrspurschnitt und File-Sharing. Die Workshop-Teilnehmer*innen probierten all dies auf ihren eigenen Smartphones aus und erhielten von den Moderator*innen Tipps und Tricks.

Khaoula war begeistert. „[Colmena] ist sehr interessant. Es bietet alle notwendigen Tools, die wir für die Produktion unseres Podcasts brauchen, von den ersten Interviews bis zu den letzten Schritten vor der Veröffentlichung.“ Sie sieht viel Potenzial im Audiorecorder und im Editor und hebt die Tonqualität hervor. Für sie fehlt nur noch eine Sache, um die Nutzung zu verbessern: „Lasst uns gemeinsam an einer vollständigen arabischen Version basteln!“

Diese Art von Anfragen erhält Melkizedek Mirasi seit fast drei Jahren – so lange dauerte es, bis Colmena vom ersten Entwurf zur Vollversion wurde. Mel, wie er in seiner Heimatstadt Kibera in Kenia genannt wird, ist Teil des UX-Teams von Colmena und arbeitet für die Partnerorganisation Tanda.net. „Wir haben dafür gesorgt, dass mehrere Medienpartner aus Afrika in den Designprozess einbezogen wurden“, sagt er. „Ihr Feedback und ihre Vorschläge können für den Erfolg der Softwareentwicklung nicht hoch genug eingeschätzt werden.“

Mindestens zwei Schlüsselkonzepte sind direkt im Dialog mit den zukünftigen Nutzer*innen entstanden. Das eine ist der „mobile first“-Ansatz, der eine gute Performance auf mobilen Geräten priorisiert, da diese von vielen Community-Journalist*innen im Globalen Süden primär genutzt werden. Das zweite zentrale Konzept für Colmena ist der „offline first“-Ansatz: „Der Bedarf wurde von den Community-Radios in Kenia deutlich gemacht, die darauf bestanden, dass das Tool auch in Regionen mit schlechter Internetanbindung funktioniert“, erinnert sich Mel. „Das und die hohen Kosten für Internetzugang sind nicht nur in Kenia ein Problem.

Mels Engagement zeigt die kollaborative Dimension der Softwareentwicklung, an der mehr als 30 Community Medien aus Afrika, Lateinamerika und der Ukraine beteiligt waren. Wie 100 % Mamans „sind diese Organisationen ständig auf der Suche nach effektiven und kostenlosen Tools für die Produktion von Inhalten“, betont Mel. Er hat Hunderte von Ideen, wie man Colmena verbessern und weiterentwickeln könnte. „Ich sehe jedoch auch die unmittelbare Notwendigkeit, Medienpartner als Multiplikator*innen und Trainer*innen auszubilden. Dies wird die Akzeptanz des Tools bei Medienorganisationen in der ganzen Welt fördern.“
Der Workshop in Marokko war erst der Anfang. Ziel des Teams ist es, Community-Medien wie 100% Mamans zu erreichen, die Colmena erfolgreich in ihren Redaktionen einsetzen.