Digitalzentrum Irak
Auf einen Blick
Der Irak ist aktuell durch zwei Krisen geprägt. Erstens, durch den seit 2014 bestehenden Krieg zwischen der sunnitisch-dschihadistischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der einen Seite, sowie der schiitisch dominierten Regierung in Bagdad und der Regierung der Autonomen Region Kurdistan. Zweitens, durch die Auswirkungen des ebenfalls seit 2014 gefallenen Ölpreises auf eine vom Erdöl dominierte, primär staatlich organisierte Wirtschaft.
Der Irak ist parallel dazu von starkem Bevölkerungswachstum und einer sehr jungen Bevölkerung gekennzeichnet – fast die Hälfte der Einwohner*innen ist unter 19 Jahre alt. Die soziale Struktur ist zudem stark von Binnenvertriebenen und Geflüchteten geprägt. In vielen Gemeinden mangelt es zudem an Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten.
Dies befördert die Marginalisierung von Jugendlichen, die aufgrund unzureichender Förderung und mangelnder Möglichkeiten der sozialen, ökonomischen und politischen Teilhabe schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Besonders kritisch ist die Lage bei jungen Frauen, bei denen die Arbeitslosigkeit landesweit mehr als doppelt so hoch wie bei jungen Männern ist.
Eine signifikante Verbesserung der Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten ist in den klassischen Sektoren, wie z.B. dem dominierenden Erdölsektor, in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Klassische Sektoren der Privatwirtschaft sind nicht in der Lage, den Wegfall staatlicher Stellen zu kompensieren. Dies stellt ein erhebliches Problem dar, da fast die Hälfte der Erwerbstätigen Bevölkerung im öffentlichen Dienst beschäftigt ist. Niedrige Importzölle, hohe Sicherheitskosten, Korruption und der schwierige Zugang zu Land und zu Finanzdienstleistungen erschweren unternehmerische Existenzen massiv.
Neben den Schwierigkeiten etablierter Arbeitsbereiche im Privatsektor öffnen sich allerdings Interessen, Angebote und Potenziale in neuen Geschäftsfeldern, die zum Teil außerhalb der klassischen Wettbewerbsvoraussetzungen funktionieren: Hierzu gehört der IKT-Sektor, der durch seine Flexibilität und dezentrale Ausübung durch die negativen Rahmenbedingungen wesentlich geringer beeinflusst wird. Beispielsweise kann das digitale Gewerbe im Vergleich zur klassischen Industrie auch ohne platzintensive Produktionsstätten arbeiten. Ebenso ist der Handel mit digitalen Gütern wesentlich weniger von Handelsbarrieren, wie fehlender Verkehrsinfrastruktur, mangelnder Sicherheit oder ungünstiger Import-Export-Regulierungen, betroffen. Insbesondere der im Irak gegebene gute Zugang zum Internet durch mobiles Breitband ermöglicht fast allen gesellschaftlichen Gruppen in weiten Teilen des Landes – auch in ländlichen Gebieten und Camps – die Teilhabe an digitalen Betätigungsfeldern. Ein wachsendes Zugehörigkeitsgefühl durch verbesserte (sozio-)ökomische Teilhabechancen, insbesondere bei jungen Menschen, kann eine gewaltpräventive Wirkung entfalten und ein friedliches Miteinander fördern. Die Potenziale im IKT-Bereich werden erkannt, trotzdem sind die Beschäftigungsperspektiven mit Bezug zu Informations- und Kommunikationstechnologien von Jugendlichen immer noch unzureichend.
Dies liegt zu einem großen Teil an den Hochschulcurricula, die größtenteils nicht auf die Bedarfe des Marktes ausgerichtet sind und den Absolvent*innen auch sehr ungenügende soziale und methodische Kompetenzen vermitteln.
Unser Ansatz
Diese Herausforderungen adressiert das Digitalzentrum Irak. Anders als die meisten Digitalzentren in anderen Regionen, liegt hier der Fokus weniger auf der Regierungsberatung, sondern dezidiert auf der Förderung von Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten im digitalen Sektor. Das Ziel ist es, nicht nur nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen, sondern junge Menschen in ihren Kompetenzen so weiterzuentwickeln, dass sie eine langfristige berufliche und private Perspektive in ihrem Heimatland sehen.
Dazu bietet das Digitalzentrum Trainings (auch für Beamt*innen oder Hochschullehrer*innen) an und arbeitet gemeinsam mit einem lokalen Netzwerk von sogenannten Maker-Spaces – einer Art digitalen Werkbank. Diese Spaces verteilen sich auf mehrere Großstädte des Landes. Durch diese Kooperationen erhalten junge und gut ausgebildete Absolvent*innen die Möglichkeit, sich in einem globalen absoluten Trend- und Zukunftsthema der Digitalisierung zu integrieren und in Festanstellung zu gelangen.
Erfolgsgeschichten
Zu Beginn der COVID-19 Pandemie fehlten nicht nur in Europa, sondern auch im Irak und auf dem afrikanischen Kontinent medizinische Gesichtsmasken, die die Verbreitung des Virus hätten verhindern können. Durch die Expertise der Maker-Spaces im 3D-Druck wurden digitale Bauanleitungen für Gesichtsmasken entwickelt. Einmal entworfen, konnten die Bauanleitungen nicht nur digital verteilt, sondern auch in den verschiedenen Zentren im Irak zeitgleich gedruckt werden. Darüber hinaus wurden die Bauanleitungen auch an weitere Digitalzentren wie in Tunesien verschickt, welches ebenfalls umgehend mit der Herstellung von Masken beginnen konnte.