- Genf, CH
- Recap
113. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz: Ein Wendepunkt für Plattformarbeit?
Die 113. Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz fand vom 2.-13. Juni 2025 in Genf statt und markierte einen Wendepunkt für die Plattformarbeit. Zum ersten Mal standen die Arbeitsbedingungen in der Plattformwirtschaft auf der Tagesordnung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).
Einst kaum als Arbeit anerkannt, ist Plattformarbeit nun zu einem Thema geworden, dessen Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Viele Plattformarbeitende sind auf den Straßen sichtbar, auf ihren Fahrrädern und in markierten Fahrzeugen unterwegs und verändern, wie wir die Stadt erleben und uns in ihr bewegen. Die Bestellung mit einem Klick wird zur neuen Realität des Einkaufens und der Lieferung und revolutioniert auch andere Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung. Gleichzeitig arbeiten jedoch Hunderte Millionen von Arbeitenden hinter ihren Laptop-Bildschirmen, die selten als Teil dieser neuen globalen, durch Plattformen verbundenen Belegschaft anerkannt werden. Die Plattform diktiert die Spielregeln, entscheidet über die Bezahlung und kann einseitig die Konten der Arbeitenden einschränken oder sogar deaktivieren.
Daher ist die Regulierung der Plattformarbeit und des algorithmischen Managements eine vorrangige Aufgabe. Die Einigung auf internationale Standards ist dringend erforderlich, um Sicherheit zu schaffen und die Arbeiter*innen im digitalen Zeitalter zu schützen. Die Bedeutung eines möglichen Übereinkommens reicht über die Plattformarbeit hinaus und hat Auswirkungen auf uns alle, da Digitalisierung die Arbeit im Kern verändert.
Die Konferenz hat einen wichtigen Schritt unternommen, um endgültige Lösungen für die dringenden Fragen rund um die Plattformarbeit zu liefern: Sie hat den Grundstein für eine internationale Konvention gelegt, die durch Empfehlungen ergänzt werden soll, um die Standards in diesem Sektor zu erhöhen. Dieses Ergebnis stellt einen bedeutenden Sieg für die Arbeiter*innen dar, da es ermöglicht, die Regulierung global zu harmonisieren und zu verbessern und Schutzmaßnahmen einzuführen. Dieser Sieg ist jedoch derzeit unvollständig, da die genauen Bedingungen der Konvention noch verhandelt werden müssen. Obwohl der aktuelle Entwurf mehrere wichtige Themen anspricht, fehlen in seinem Kerntext bemerkenswerte Bestimmungen in Bezug auf Mindestlohn, effektive Kontrolle und konkrete Bestimmungen für den Sozialversicherungsschutz. Diese Lücken sollten geschlossen werden, um einen umfassenden Schutz für Plattformarbeiter zu gewährleisten. Die potenziellen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen stärkerer internationaler Standards sind nicht zu überschätzen: Bessere Schutzmaßnahmen würden nicht nur zu einer nachhaltigeren und gerechteren digitalen Wirtschaft beitragen, sondern auch die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen sichern.
Die internationale Gemeinschaft hat nun ein Jahr, bis zur nächsten Sitzung im Juni 2026, um ihrer Verantwortung gerecht zu werden, um einen bedeutungsvollen Wandel zu bewirken. Es ist zentral, dass Regierungen, Gewerkschaften, Plattformunternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen sich aktiv am Verhandlungsprozess beteiligen.
Die Mitgliedstaaten können noch vor der Annahme der Konvention konkrete Schritte unternehmen: Die Förderung von Transparenz und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf Grundlage realer Erkenntnisse durch Projekte wie Fairwork , die Unterstützung von Arbeiter*innen durch maßgeschneiderte Interventionen und Qualifizierungsangebote (siehe atingi), die Erhöhung der Vergütung und das Streben nach einem existenzsichernden Lohn sowie die Erprobung innovativer regulatorischer Ansätze, beispielsweise für das algorithmische Management.