Plattformarbeit weltweit im Fokus: Soziale Sicherung neu gedacht
Soziale Sicherungssysteme wurden in einer anderen Zeit geschaffen – in einer Ära industrieller Produktion, mit Haushalten, in denen meist eine Person das Einkommen erwirtschaftete und mit linearen Berufswegen. Heute leben wir in einer Welt, die digital, flexibel und vielfältig ist. Die globale Online-Gig-Arbeit hat maßgeblich dazu beigetragen, die Dynamik der Arbeitswelt zu verändern. Schätzungen zufolge gibt es weltweit bis zu 435 Millionen Online-Gig-Arbeiter*innen. In vielen Ländern gelten sie als Selbstständige – mit der Folge, dass sie kaum oder gar keinen Zugang zu sozialem Schutz haben.
Regierungen weltweit suchen nach Wegen, um sicherzustellen, dass Plattformarbeiter*innen, unabhängig von ihrer rechtlichen Einstufung, Zugang zu grundlegender sozialer Sicherung erhalten. Das bedeutet: Sie verlieren ihr Einkommen nicht, wenn sie krank werden und verfügen über Grundsicherungen sollten sie keine Aufträge mehr erhalten oder in den Ruhestand gehen. Soziale Sicherung sorgt dafür, dass niemand ohne Unterstützung bleibt, wenn sie am dringendsten gebraucht wird und ist somit ein Grundpfeiler für faires und inklusives Wirtschaftswachstum. Lösungen für einen besseren Zugang zu sozialer Sicherung zu finden, ist daher ein wesentlicher Bestandteil des Aufbaus widerstandsfähiger Gesellschaften im digitalen Zeitalter.
Gemeinsam nach Lösungen suchen: ein globaler Dialog in Frankfurt
Bei einem richtungsweisenden Treffen in Frankfurt Ende Oktober kamen politische Entscheidungsträger*innen, Plattformarbeitende und Branchenvertreter*innen zusammen, um eine der dringendsten Herausforderungen der digitalen Wirtschaft anzugehen: die Gewährleistung von sozialer Sicherung für Gig-Arbeiter*innen. Eingeladen von der GIZ Gig Economy Initiative und dem Sektorvorhaben Soziale Sicherung im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) arbeitete das Social Protection Solution Lab in Partnerschaft mit der Weltbank und der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (ISSA) sowie in enger Abstimmung mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) an innovativen Lösungsansätzen.
Diese Zusammenkunft zentraler Akteur*innen bot eine seltene Gelegenheit, den politischen Dialog zur Plattformwirtschaft gemeinsam zu gestalten. Durch den offenen Austausch über Herausforderungen und Erfolge gewannen die Teilnehmenden ein klareres Bild davon, welche politischen Ansätze in der neuen digitalen Arbeitswelt funktionieren – und welche nicht.
Vom Austausch zur Umsetzung: Konkrete Prototypen für soziale Sicherung
Indem sie die Bedürfnisse der Arbeit*innen diskutierten, wirtschaftliche und digitale Chancen aus Sicht der Plattformen analysierten und die politischen Rahmenbedingungen betrachteten, entwickelten die Teilnehmenden gemeinsam konkrete Lösungen für verschiedene reale Fallbeispiele. Dieser kollaborative Prozess führte die Fälle über theoretische Überlegungen hinaus und verwandelte sie in praxisnahe, testbare Prototypen. Für viele war es eine seltene Gelegenheit, sich persönlich mit anderen Akteur*innen aus demselben Arbeitsfeld auszutauschen.
Der Workshop zeigte eindrucksvoll, welches Potenzial in der Weiterentwicklung von sozialen Sicherungssystemen für die Plattformökonomie steckt. Unter den Chatham-House-Regeln, die einen offenen Meinungsaustausch ermöglichen, arbeiteten die Teilnehmenden an vier realen Fällen aus Südasien, Subsahara-Afrika und einer internationalen Perspektive. In einem Fall entwickelten politische Entscheidungsträger*innen und Arbeitnehmervertreter*innen einen bestehenden Vorschlag weiter, der Millionen Plattformarbeitenden zugutekommen könnte. Ein anderer Fall erprobte die Idee einer gemeinsamen Versicherungslösung und diskutierte konkrete Ansätze direkt mit Politik und Plattformunternehmen. Außerdem setzten sich die Teilnehmenden mit der Komplexität internationaler Datenlieferketten auseinander und leisteten damit einen Beitrag zur wachsenden globalen Debatte über die Rolle menschlicher Arbeit in der KI-Entwicklung und die Notwendigkeit geeigneter Schutzmaßnahmen.
Wenn internationale Organisationen, Regierungen, Plattformen und Arbeiter*innen direkt zusammenarbeiten, wird eine faire und menschenwürdige Zukunft der Plattformarbeit greifbar. Der persönliche Charakter des Workshops zeigte sich dabei als entscheidend, um echte Fortschritte bei den neuen Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt zu erzielen.