Die Zukunft ernähren: Smarte Daten verbessern Indiens Ernährungsdienste

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Indien nutzt zunehmend Daten und digitale Technologien, um eine intelligentere Politikgestaltung im Ernährungssektor zu erreichen. Ein Pilotprojekt in Rajasthan zeigt, wie Ernährungsdienstleistungen mithilfe der richtigen Daten und in Verbindung mit Kapazitätsaufbau besser an die Bedürfnisse von Schwangeren, Kleinkindern und Müttern angepasst werden können.

Ernährung ist nach wie vor ein Eckpfeiler der zentralen Entwicklungsprioritäten Indiens. Laut der Nationalen Familiengesundheitsumfrage (NFHS-5, 2019–2020) leidet jedes dritte Kind unter fünf Jahren an Wachstumsverzögerung oder Untergewicht und mehr als die Hälfte aller Frauen und Mädchen zwischen 15 und 49 Jahren ist von Anämie betroffen. Die indische Regierung hat die erhöhten Bedarfe insbesondere von Schwangeren und Kindern unter sechs Jahren erkannt und umfangreich in Programme investiert, die Mangelernährung, Impfungen, Gesundheitsuntersuchungen sowie Aufklärung über Ernährung und Gesundheit durch Leistungen direkt vor Ort und ein gestärktes Ökosystem angehen.

Ein Vorzeigeprojekt ist das Programm „Poshan Abhiyaan“ (übersetzt: Ernährungsmission), das im März 2021 gestartet wurde. Es verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der ergänzende Ernährung, frühkindliche Betreuung und gemeindenahe Arbeit miteinander verbindet – geleitet vom Ministerium für Frauen- und Kinderentwicklung (MoWCD) im Rahmen des Programms „Integrated Child Development Services“ (ICDS), einem der weltweit größten öffentlichen Ernährungsprogramme.

Um die angebotenen Dienstleistungen besser auszurichten, überwacht die digitale Anwendung „Poshan Tracker“ verschiedene Indikatoren, wie das Wachstum von Kindern, die Ernährungsunterstützung oder Gesundheitsuntersuchungen. Gesundheitskräfte und Regierungsangestellte geben dafür die Daten ein, die anschließend für politische Entscheidungsträger*innen aufbereitet und analysiert werden. So dient der Tracker nicht nur der Datenerfassung, sondern stellt sicher, dass die Informationen zeitnah, zuverlässig und aktiv zur Programmverbesserung genutzt werden.

Kapazitätsaufbau von Mitarbeitenden eines Anganwadi-Zentrum in der ländlichen Regions des Distrikts Dholpur. ©GIZ
Von der Datenerfassung zu datenbasierten Entscheidungen

Auf dieser Grundlage startete das Ministerium für MoWCD in Rajasthan gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und Jhpiego im Oktober 2024 ein Pilotprojekt, um einen neuen Ansatz auszutesten: die Nutzung digitaler Daten als Unterstützung für systematische Entscheidungsfindung und Stärkung von Institutionen.

Im Mittelpunkt steht die Entwicklung rollenbasierter analytischer Dashboards, die komplexe Datensätze in benutzerfreundliche Visualisierungen umwandeln, zugeschnitten auf die unterschiedlichen Anforderungen von Regierungsmitarbeitenden, von Aufsichtsbehörden ländlicher Kinderbetreuungseinrichtungen bis hin zu Programmmanager*innen auf staatlicher Ebene. Die Dashboards ermöglichen vergleichende Leistungsrankings, Trendprognosen sowie die Verbesserung des bestehenden Beobachtungs- und Monitoringsystems.

Einstiegsseite des rollenbasierten analytischen Dashboards mit Platzhalter-Daten. ©GIZ
Zu den wichtigsten Funktionen der Dashboards gehören:
  • Identifizierung der fünf leistungsstärksten und leistungsschwächsten Gebiete anhand von Kennzahlen wie: Gesundheitszustand, Versorgung mit warmen Mahlzeiten oder Mitnahmeportionen an mehr als 21 Tagen, Hausbesuche, Gemeindeveranstaltungen oder Teilnahme an der Vorschule an mindestens 16 Tagen pro Monat
  • Detaillierte Unterregionen-Analyse innerhalb der Kennzahlen
  • Institutionsübergreifender Abgleich mit Gesundheitsbehörden und dem ICDS für eine integrierte Leistungserbringung
  • Priorisierung von Anganwadi-Zentren (Kinderbetreuungseinrichtungen in ländlichen Gebieten – AWC) für gezieltes Monitoring
  • Multi-Indikator-Geografie- und Trendanalyse über das Tool „Poshan Aankalan“ zur zeitlichen und räumlichen Auswertung zentraler Kennzahlen
  • Self-Service-Analysen über den interaktiven Datenassistenten „Poshan Sakhi“, der sofort leicht verständliche Antworten liefert – besonders hilfreich für Fachkräfte vor Ort, wie Mitarbeitenden in Anganwadi-Zentren
  • Unterstützende Überprüfung und Zeitreihendiagramme als Orientierungshilfe für zukünftige Planung

Um sicherzustellen, dass die Tools zur Stärkung der Datenverwendungskultur beitragen, umfasste das Pilotprojekt intensive Schulungen für über 60 Staatsmitarbeitende, darunter stellvertretende Direktor*innen des ICDS. Sie wurden in Zusammenarbeit mit dem Open Data Institute durchgeführt und behandelten Themen wie der Datenlebenszyklus, Storytelling mit Daten und strategische Planung auf Grundlage von Datenanalysen.

Schulung unter Beteiligung von Regierungsbeamten auf Landes- und Bezirksebene. ©GIZ
Vom Pilotprojekt zur politischen Umsetzung

Das Programm geht über digitale Werkzeuge hinaus und investeiert in Menschen und Prozesse, die bessere politische Entscheidungen ermöglichen. Das Ziel ist klar: Es soll ein Ökosystem geschaffen werden, in dem Daten nicht nur zur Einhaltung von Vorschriften, sondern auch zum Lernen, Planen und zur Klärung von Verantwortlichkeit genutzt werden. Diese Arbeit wird von der GIZ im Rahmen des Projekts SENU – Securing Nutrition, Enhancing Resilience (Ernährung sichern, Resilienz stärken) in Zusammenarbeit mit dem Data2Policy-Projekt unterstützt, das technische Expertise lieferte.

Das im Juli 2025 abgeschlossene Pilotprojekt tritt nun in eine neue Phase der aktiven Nutzung durch die Landesbehörden ein. Sein Erfolg könnte einen Wendepunkt markieren – weg von Daten zur Vorschriftskontrolle hin zur Datennutzung für aktives Handeln, damit jedes Kind, jede Mutter und jedes Mädchen die zeitnahe und wirksame Ernährungsunterstützung erhält, die es benötigt. Die gewonnen Erkenntnisse und Erfahrungen werden künftig dem MoWCD zur Verfügung gestellt, um eine mögliche nationale Ausweitung und bundesstaatenübergreifende Übertragung zu ermöglichen.

Auf diese Weise können Daten die Regierungsführung stärken: durch den Aufbau von Kapazitäten, die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses und die Verbesserung der Lebensbedingungen derjenigen, die es am dringendsten benötigen.