Eine Brücke zwischen Daten und Politik: So unterstützt der Data-to-Policy Navigator politische Entscheidungsträger*innen

Die Probleme des 21. Jahrhunderts können nicht mit Mitteln des 20. Jahrhunderts gelöst werden. Doch allzu oft sind Regierungen hier im Blindflug unterwegs: Sie versuchen Klimaschocks, geschlechterspezifische Ungleichheiten und Pandemien zu bewältigen, ohne über die nötigen Daten zu verfügen. Gute Politik beginnt mit guten Informationen. Derzeit ist jedoch fast die Hälfte der Länder der Welt nicht in der Lage, wichtige Daten zur Fortschrittsmessung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zu liefern, wie ein Bericht der UN Statistics Division (2024) zeigt. Ohne qualitativ hochwertige, transparente Daten werden Entscheidungen verzögert. Eine evidenzbasierte Politikgestaltung ist kein optionaler Zusatz – sie ist die Grundlage für gute Lösungen. Und obwohl die Entwicklung digitaler Technologien neue Datenquellen – wie Satellitenbilder, mobile Daten und soziale Medien – zugänglicher denn je macht, tun sich viele Regierungen immer noch schwer, dieses Potenzial zu nutzen. Öffentliche Institutionen verfügen oft nicht über den rechtlichen Rahmen, um den Datenaustausch zu reglementieren, oder arbeiten innerhalb starrer Strukturen, wie die OECD in diesem Bericht feststellte. Gleichzeitig behindert auch der Mangel an Kompetenzen im Umgang mit neuen Datenquellen den Fortschritt.

Daher besteht die Gefahr, dass politische Maßnahmen ohne die nötige Faktengrundlage entwickelt werden. Darüber hinaus führen unzureichende Datennutzung und das Fehlen inklusiver Datensätze häufig zu politischen Maßnahmen, die strukturelle Ungleichheiten nicht wirksam adressieren. Dies betrifft vor allem Minderheiten, wie die UNESCO am Beispiel von Daten zu Behinderungen aufzeigt. Diese institutionellen und strukturellen Herausforderungen verlangsamen auch den Fortschritt beim Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) und erschweren es Ländern, integrativ und effektiv auf dringende globale Probleme zu reagieren.

 

Intelligentere Politikgestaltung mit Daten und KI

Um diese Lücke zu schließen, hat die Data2Policy-Initiative der GIZ im Auftrag des Datenlabors des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und UNDP den Data to Policy Navigator entwickelt – ein praktisches, einfach zu bedienendes Tool, das sich an Regierungsvertreter*innen richtet, die über geringe bis fortgeschrittene Kenntnisse im Bereich Daten für Politikgestaltung verfügen. Der Navigator führt Schritt für Schritt durch den Prozess der politischen Maßnahmenentwicklung, von der Problemdefinition bis zur Evaluation, und zeigt, wie Daten in jeder Phase integriert werden können.

Das Tool wurde mit Blick auf die Bedürfnisse und Realitäten von politischen Entscheidungsträger*innen entwickelt. Es ist interaktiv und enthält zahlreiche Beispiele und Empfehlungen für die Umsetzung sowie Suchfunktionen.

Denn obwohl Daten in großen Mengen und aus einer Vielzahl von Quellen verfügbar sind, bleibt die Lücke bei der Analyse, dem Zugang und der Umwandlung in Tools oft bestehen. Hier kann Künstliche Intelligenz (KI), wenn sie richtig eingesetzt wird, helfen: Technologien wie Natural Language Processing (NLP) können einerseits helfen, große Mengen von Dokumenten zu analysieren, Erkenntnisse zu gewinnen und Informationen zusammenzufassen, um Entscheidungen zu treffen. Andererseits ermöglicht KI auch Inklusion und Transparenz, indem sie, z. B. durch automatische Übersetzungen, einen besseren Zugang zu Behördenanwendungen ermöglicht.

Gemeinsam mit NLP bilden Computer Vision und KI-gestützte Prognosen und Analysen die drei KI-Kernfunktionen, die jetzt auf dem Navigator zu finden sind. Zu jeder KI-Kernfunktion gibt es praktische Richtlinien, echte Anwendungsfälle und ethische Richtlinien, um sicherzustellen, dass KI sicher, inklusiv und verantwortungsvoll eingesetzt werden kann. Da Datenschutz, Überwachungsrisiken und algorithmische Verzerrungen bei der Entwicklung von KI-Projekten berücksichtigt werden sollten, bietet der Navigator wertvolle Orientierung, um die Gefahren und Grenzen der KI-Nutzung für die Politik einzuschätzen und zu mitigieren.

Daten und KI gehen Hand in Hand, denn Daten sind die Grundlage der KI. Somit können bessere Daten die Entwicklung von verantwortungsvolleren und maßgeschneiderten KI-Systemen unterstützen, was wiederum die Datennutzung und -analyse verbessern kann. Wenn Entscheidungsträger*innen in allen Sektoren bei der Umsetzung von KI-Projekten unterstützt und angeleitet werden, kann KI zu einer effizienteren, reaktionsschnelleren und evidenzbasierten Politikgestaltung beitragen. KI hat also das Potenzial, Fortschritte bei den SDGs zu beschleunigen, indem sie eine intelligentere Politik ermöglicht, die Erbringung von Dienstleistungen verbessert und sicherstellt, dass Maßnahmen gezielter und inklusiver gestaltet werden. Nimmt man dazu beispielsweise SDG 7 ‚Bezahlbare und saubere Energie‘: In dieser Fallstudie über die Solarstrategie von Lissabon unterstützte eine KI bei der Kartierung und Skalierung von Solaranlagen und trug so zu einer schnelleren und präziseren Verteilung von erneuerbaren Energieanlagen bei.

 

Der Navigator in Aktion: Gesundheitsfürsorge und Gleichberechtigung vorantreiben

Die folgenden zwei Beispiele veranschaulichen, wie diese Herausforderungen bei echten Problemstellungen angegangen werden können, zum Beispiel in der Gesundheitsversorgung. Datengesteuerte Ansätze verändern die Gesundheitsversorgung, indem sie eine strategischere und gerechtere Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen ermöglichen. Eine wichtige Anwendung ist die optimierte Standortplanung von Gesundheitseinrichtungen auf der Grundlage von Daten zu Erreichbarkeit und Bedarfen der Bevölkerung. So kann sichergestellt werden, dass unterversorgte Gemeinden besseren Zugang zu wichtigen Gesundheitsdiensten erhalten. In informellen Siedlungen, in denen es oft an Infrastruktur mangelt, werden Satellitenbilder genutzt, um Lücken in der Versorgung zu erkennen und den Ausbau von sanitären Einrichtungen, Gesundheitsversorgung und Versorgungsinfrastruktur zu steuern. Durch die Kombination von Geodaten mit Erkenntnissen über die öffentliche Gesundheitsversorgung können Regierungen fundiertere Entscheidungen treffen, die das Wohlergehen gefährdeter Bevölkerungsgruppen direkt verbessern, wie dieses Beispiel in Malawi zeigt.

Datengestützte Ansätze spielen auch bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter – insbesondere bei der Förderung der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen – eine entscheidende Rolle, wie dieser Anwendungsfall aus Mexiko zeigt. Eine wirkungsvolle Strategie besteht darin, die Platzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen auf der Grundlage der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung und der Erreichbarkeit des Standorts zu optimieren. Dies kann durch die Kombination von Datenquellen wie Zensusdaten von Regierungen mit Umfragedaten, Satellitenbildern und anderen Datenquellen effektiv erfolgen. Indem sichergestellt wird, dass Kinderbetreuung dort verfügbar ist, wo sie am dringendsten benötigt wird, können mehr Frauen am Arbeitsleben teilnehmen und ihre wirtschaftliche Teilhabe wird ermöglicht. Darüber hinaus hilft die Verfolgung von Trends und Hashtags auf Social Media-Plattformen dabei, aktuelle geschlechtsspezifische Themen zu identifizieren, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Diese Echtzeit-Einsichten ermöglichen es den politischen Entscheidungsträger*innen, effektiver auf aufkommende Probleme zu reagieren und sicherzustellen, dass die Gleichstellung der Geschlechter ein zentrales Thema im öffentlichen Diskurs und bei politischen Maßnahmen bleibt.

 

Das Potenzial datengesteuerter Politikgestaltung erschließen

Da mehr als die Hälfte der Laufzeit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung vergangen ist und viele der globalen die Krisen auch weiter bestehen, ist die Notwendigkeit einer soliden, inklusiven und datengestützten Politik mehr als je zuvor gegeben. Um die bestehenden Datenlücken vollständig zu schließen und das Potenzial der datengestützten Politikgestaltung für eine bessere, gerechtere und effektivere Politik zu nutzen, müssen Länder strategische Investitionen tätigen. Dazu gehören der Aufbau von Kapazitäten bei den politischen Entscheidungsträger*innen, die Stärkung der Datenverwaltung und der Datenschutzstandards sowie die Verbesserung der technischen Fähigkeiten in allen Institutionen.

Das übergeordnete Ziel ist die Förderung einer datengestützten Entscheidungsfindung, die Vertrauen schafft, Effizienz verbessert und Inklusion fördert. Auf diese Weise können Regierungen das Erreichen der SDGs vorantreiben und effektiver auf die komplexen globalen und lokalen Herausforderungen unserer Zeit reagieren.

Der Data to Policy Navigator ist mehr als nur ein Werkzeug – er ist eine zeitgemäße Antwort auf den dringenden Bedarf an intelligenter Politikgestaltung in einer Welt, die von schnellem Wandel geprägt ist. Wenn Sie Ihre Politik mit Hilfe von Daten und künstlicher Intelligenz verbessern wollen, bietet Ihnen der Data2Policy-Navigator Leitlinien, Checklisten und Beispiele aus der Praxis, um Ihnen den Einstieg zu erleichtern. Entdecken Sie den Navigator hier, um die Wirkung Ihrer Politik zu stärken.

Dr. Iliya Nickelt

Chief Data Scientist, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)

Iliya Nickelt ist Chief Data Scientist im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Als Leiter des BMZ Datenlabors arbeitet er mit einem dynamischen Team von Data Scientists daran, die Nutzung von Daten und KI in der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben. Zuvor war er acht Jahre lang technischer Leiter für den Betrieb der Informations- und Kommunikationstechnik im BMZ und leitete die Community „Machine Learning und KI” bei NExT e. V., der Austauschplattform für digitale Transformation für Mitarbeitende aller Ebenen der deutschen öffentlichen Verwaltung. Er studierte Physik und promovierte in Astrophysik in Potsdam. Als Postdoktorand arbeitete er an mehreren Forschungsprojekten zu international vernetzten Datenbanken und Rechenvorgängen in gekoppelten Großrechenzentren. Darüber hinaus war er mehrere Jahre lang für die Internet-Selbstregulierungsorganisation ICANN tätig.